"Richtig belohnen" - Werde mit Deinem Hund zum Dreamteam
- Johannes von WolfSpirit
- 23. März
- 15 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 27. März
In unserem heutigen Artikel tauchen wir gemeinsam in zwei zentrale Säulen unserer W.O.L.F.+ Erfolgsformel für die Mensch-Hund-Harmonie ein. Der Fokus liegt diesmal auf dem W – Wissenschaftlichem systemischen Training sowie dem O – Optimale Kommunikation. Natürlich darf auch das Plus in unserer Formel nicht fehlen: + Vertrauen und Empathie, denn ohne diese beiden Elemente führt Ihr nur eine Beziehung. Das geheimnisvolle + unserer Erfolgsformel führt Euch zu tiefer Bindung.

Gerade wenn Du mit positiver Verstärkung arbeiten möchtest, ist es essentiell, Deine Fellnase richtig zu belohnen. Doch was bedeutet „richtig belohnen“ überhaupt? Warum setzen wir den Begriff bewusst in Anführungszeichen? Und wie kannst Du Belohnungen so gezielt einsetzen, dass sie nicht nur das Verhalten Deines Hundes formen, sondern auch das Fundament für eine stabile, gesunde Beziehung legen?
In diesem Artikel erfährst Du, welche wissenschaftlichen Prinzipien hinter positiver Verstärkung stehen, welche Faktoren Du bei der Auswahl und Anwendung von Belohnungen unbedingt beachten solltest und wie Du sie praxisnah in Deinen Alltag integrierst. Dabei beleuchten wir nicht nur die Potenziale, sondern auch mögliche Stolpersteine – damit Du und Deine Fellnase als echtes Dreamteam durchs Leben geht.
Mach Dich bereit für eine spannende Reise mit WolfSpirit – für mehr Verständnis, Vertrauen und eine tiefere Verbindung zwischen Dir und Deinem Hund!
Warum steht „richtig belohnen“ in Anführungszeichen?
Wir starten direkt mit einer wichtigen Frage: Warum setzen wir das „richtig belohnen“ bewusst in Anführungszeichen?

Im professionellen Hundetraining sprechen wir nicht einfach vom „Belohnen“, sondern präziser vom Verstärken von Verhalten. Dieser Begriff stammt aus der wissenschaftlichen Verhaltensanalyse, die das Fundament für unsere Arbeit mit Hunden bildet. Während das Wort „Belohnung“ im Alltag oft verwendet wird, greift es in der Trainingspraxis zu kurz.
Der entscheidende Unterschied: Eine Belohnung ist subjektiv – ob etwas als angenehm empfunden wird, liegt immer in der Perspektive des Hundes. Ein Leckerli, Streicheln oder Spielen mag für den einen Hund motivierend sein, für den anderen aber völlig uninteressant bleiben. Ob dadurch tatsächlich eine Verhaltensänderung eintritt, ist also individuell.
Im Gegensatz dazu spricht die Verhaltensanalyse vom Verstärker. Ein Verstärker ist per Definition ein Ereignis oder eine Konsequenz, das auf ein Verhalten folgt und die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass dieses Verhalten in Zukunft wieder gezeigt wird. Es geht nicht um das Belohnen einer Person, sondern um das gezielte Formen eines gewünschten Verhaltens – basierend auf wissenschaftlich erforschten Prinzipien.
Um den Unterschied noch klarer zu machen, haben wir Dir eine kleine Vergleichstabelle zusammengestellt:
Belohnung | Verstärker |
Wird aus der Perspektive des Hundes empfunden | Ist objektiv an der Wirkung auf das Verhalten messbar |
Kann angenehm, neutral oder sogar unerwünscht sein | Führt zuverlässig zur Erhöhung des gewünschten Verhaltens |
„Eine Person wird belohnt“ | „Ein Verhalten wird verstärkt“ |
Keine Garantie für Verhaltensänderung | Wissenschaftlich definiert: Verhalten wird häufiger gezeigt |
Das Ziel im professionellen Hundetraining ist es, Verhalten gezielt nach unseren Wünschen zu formen, indem wir systematisch verstärken – nicht wahllos belohnen. Dank fundierter wissenschaftlicher Erkenntnisse wissen wir, wie wir gewünschtes Verhalten nachhaltig aufbauen und stabilisieren können. Damit haben wir die direkte Überleitung zum Thema:
Was verstärkt Verhalten beim Hund?
In der Verhaltensanalyse unterscheiden wir drei Hauptarten von Verstärkern, die beim Hund wirken. Diese Verstärker beeinflussen maßgeblich, ob und wie oft ein Verhalten in Zukunft gezeigt wird. Schauen wir uns diese Verstärkerarten genauer an:
1. Primäre Verstärker – Angeborene, lebensnotwendige Bedürfnisse

Primäre Verstärker sind für den Hund angeboren und direkt mit seinem Überleben und Wohlbefinden verknüpft. Sie besitzen einen besonders hohen Motivationswert, da sie grundlegende Bedürfnisse befriedigen. Zu den wichtigsten primären Verstärkern zählen:
Futteraufnahme
Wasseraufnahme
Schutz
Kälte oder Hitze
Körperliche Nähe & soziale Interaktion
Ruhe- und Schlafmöglichkeiten
Selbstbelohnende Verhaltensweisen wie z. B. Jagen
Besonders spannend ist hier das Thema Selbstwirksamkeit: Selbstwirksamkeit bedeutet, dass der Hund erlebt, durch sein eigenes Verhalten eine Situation kontrollieren oder beeinflussen zu können. Diese Erfahrung aktiviert die sogenannte „Belohnungskaskade“ im Gehirn und wirkt extrem verstärkend. Klassisches Beispiel: Ein Hund, der eigenständig Jagdsequenzen ausführen darf, erlebt hohe Selbstwirksamkeit – der Akt des Jagens an sich ist dabei schon belohnend, unabhängig vom eigentlichen Erfolg.
Wichtig: Auch primäre Verstärker verlieren ihren Trainingswert, wenn sie für den Hund ständig uneingeschränkt verfügbar sind. Beispiel: Ein Hund, der ständig Futter zur freien Verfügung hat, wird im Training weniger motiviert auf Futterreize reagieren.
Ebenso: Relevant ist das Verständnis der negativen Verstärkung im Zusammenhang mit primären Verstärkern. Wird ein Hund an seinem Ruheplatz oder Schlafbereich ständig von Kindern, Halter:innen oder anderen Umweltfaktoren gestört, manipuliert oder bedrängt, bleibt sein grundlegendes Bedürfnis nach Schutz, Sicherheit und ungestörter Ruhe unerfüllt. Dies betrifft direkt die primären Verstärker, denn Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten sind für das körperliche und psychische Gleichgewicht des Hundes essenziell.
Durch die permanente Störung entsteht beim Hund ein Zustand von Unruhe, Stress und Unsicherheit. Das führt dazu, dass bestimmte Reize – wie der Schlafplatz, das familiäre Umfeld oder sogar das Zuhause insgesamt – negativ verknüpft werden. Der Hund lernt unbewusst: „Hier finde ich keinen Schutz, hier werde ich ständig belästigt.“
In diesem Fall sprechen wir von einer extremen Form der negativen Verstärkung, allerdings im negativen Sinne: Das Ausbleiben der Möglichkeit, sich sicher zurückzuziehen, setzt den gesamten Organismus unter Anspannung. Auf Dauer kann dies zu problematischen Verhaltensmustern führen, wie ständiger Wachsamkeit, Unsicherheiten gegenüber den eigenen Bezugspersonen oder sogar Aggressionsverhalten aus Frustration.
Deshalb gilt im professionellen Training: Primäre Verstärker wie Ruhe, Schutz und Sicherheit dürfen niemals durch unachtsames Verhalten der Halter:innen untergraben werden – denn sie sind die Basis für Vertrauen, Wohlbefinden und eine ausgeglichene Mensch-Hund-Beziehung.
Es gilt, mit allen primären Verstärkern bewusst und verantwortungsvoll umzugehen – ebenso wie mit Futter. Der Hund ist abhängig von uns. Wenn wir mit Futter die völlig veralteten „Dominanzspielchen“ treiben, wie zum Beispiel beim Knurren den Napf wegnehmen, richten wir massiven Schaden an. Wir zerstören durch die extreme Wirkung dieses Verstärkers Vertrauen, Sicherheit und die Bindung vom Hund zu uns.
2. Sekundäre Verstärker – Erlernte, konditionierte Signale
Sekundäre Verstärker sind ursprünglich neutrale Reize, die im Laufe des Trainings durch gezielte Verknüpfung mit primären Verstärkern eine positive Bedeutung für den Hund erhalten. Beispiele für sekundäre Verstärker sind:

Markerwort (z. B. „Yes!“)
Klickergeräusch
Sichtbares Griff-in-die-Futtertasche-Signal
Spielzeug wie Ball oder Zergel
Der Lernprozess dahinter folgt den Prinzipien der klassischen Konditionierung: Das neutrale Signal wird mehrfach mit einem unmittelbar darauf folgenden primären Verstärker (z. B. Futter) gekoppelt. Sofort - Innerhalb von 0,5 bis maximal 1 Sekunde sollte der primäre Verstärker auf den Sekundären folgen, damit der Hund die Verknüpfung zuverlässig herstellt.
Mit der Zeit wird der sekundäre Verstärker selbst zu einem zuverlässigen Signal für positive Konsequenzen – und kann im Training gezielt eingesetzt werden.
Besonders spannend: Auch Umweltreize, die für den Hund regelmäßig positive Erlebnisse ankündigen (z. B. das Öffnen der Haustür vor dem Spaziergang), können unbeabsichtigt zu sekundären Verstärkern werden.
3. Funktionale Verstärker – Verstärker mit situativer Bedeutung
Die dritte Gruppe stellen die sogenannten funktionalen Verstärker dar. Hierbei handelt es sich um Verhaltensweisen oder Ereignisse, die sowohl aus dem Bereich der primären als auch der sekundären Verstärker stammen können. Funktionale Verstärker zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einer bestimmten Situation für den Hund einen direkten Zweck erfüllen oder ein Bedürfnis stillen.
Beispiel: Ein Hund bellt am Gartenzaun (Verhalten) und der Passant entfernt sich (Konsequenz). Das Entfernen des Passanten wirkt in diesem Moment verstärkend auf das Bellen, weil der Hund lernt: „Mein Verhalten hat die gewünschte Wirkung.“
Funktionale Verstärker sind individuell sehr unterschiedlich und hängen stark von den aktuellen Bedürfnissen, Erfahrungen und Umweltbedingungen des Hundes ab.
Zusammenfassung
Verstärkerart | Beispiele | Eigenschaft |
Primäre Verstärker | Futter, Wasser, Wärme, soziale Nähe, Jagdverhalten | Angeboren, lebensnotwendig, hoher Motivationswert |
Sekundäre Verstärker | Markerwort, Klicker, Sichtsignale, Spielzeug | Erlernt durch klassische Konditionierung, Ankündigung eines primären Verstärkers |
Funktionale Verstärker | Umweltveränderungen, Wegfall von Reizen, Zugang zu Ressourcen | Situativ bedeutsam, individuell abhängig vom Verhalten und Bedürfnis |
Je nachdem, welche Bedürfnisse Dein Hund aktuell hat und welche Erfahrungen er gesammelt hat, können alle drei Verstärkerarten unterschiedlich stark wirken. Ein erfolgreiches, wissenschaftlich fundiertes Hundetraining nutzt genau dieses Wissen gezielt aus, um Verhalten effektiv zu formen und eine stabile, vertrauensvolle Beziehung zwischen Dir und Deiner Fellnase aufzubauen.
Wie findest Du die richtigen Verstärker für Deinen Hund?
Jeder Hund ist individuell – und genauso individuell sind seine Vorlieben und Bedürfnisse. Was für den einen Hund hochmotivierende Verstärker sind, kann für den anderen völlig uninteressant bleiben. Deshalb ist es entscheidend, dass Du gezielt beobachtest und ausprobierst, welche Verstärker für Deine Fellnase wirklich funktionieren.
Hier zeigen wir Dir, wie Du dabei vorgehst:
Beobachte die natürlichen Vorlieben Deines Hundes
Frage Dich: Was tut Dein Hund von sich aus gerne und oft, ohne dass Du ihn dazu animierst?
Typische Beispiele:
Zeigt er Begeisterung für Futter oder bestimmte Snacks?
Liebt er körperliche Nähe, Streicheleinheiten oder Spiel mit Dir?
Ist er besonders gerne draußen und liebt es, zu rennen oder zu schnüffeln?
Reagiert er stark auf Bewegungsreize, etwa auf einen Ball oder Zerrspiele?
Solche selbstbelohnenden Verhaltensweisen geben Dir Hinweise auf seine primären Verstärker. Diese Vorlieben kannst Du gezielt ins Training integrieren.
Teste verschiedene Verstärker systematisch
Du kannst verschiedene potenzielle Verstärker „testen“ und beobachten, wie Dein Hund reagiert. Beispiel:
Nimm 3-4 verschiedene Leckerli-Sorten.
Teste unterschiedliche Spielzeuge (Ball, Zergel, Tau, etc.).
Probiere soziale Verstärker wie Lob, Streicheln oder gemeinsames Spielen.
Beobachte: Welche Option lässt Deinen Hund am schnellsten und zuverlässigsten reagieren? Wo ist die höchste Motivation sichtbar (Aufmerksamkeit, freudige Körpersprache, schnelle Ausführung)?
Tipp: Halte die Motivation hoch, indem Du besonders attraktive Verstärker sparsam im Alltag einsetzt und sie gezielt fürs Training reservierst. Die Begierde nach einem Bedürfnis sinkt, desto öfter es verfügbar ist.
Berücksichtige die aktuelle Bedürfnislage
Verstärker wirken immer situativ. Ein Hund, der gerade ausgiebig gefressen hat, wird Futter eventuell weniger reizvoll finden. Ein unausgelasteter Hund empfindet Freilauf oder Spiel stärker als Verstärker. Ebenso kann ein Hund an einem heißen Tag mehr an Wasseraufnahme, Baden gehen oder Schattenplätzen interessiert sein als an körperlicher Aktivität.
Lerne, die tagesaktuellen Bedürfnisse Deines Hundes zu lesen und die Verstärker entsprechend auszuwählen.
Nutze funktionale Verstärker im Alltag
Auch im Alltag begegnen Dir viele Situationen, in denen Du funktionale Verstärker sinnvoll einsetzen kannst:
Tür geht erst auf, wenn Dein Hund ruhig sitzt.
Spielzeug fliegt erst, wenn der Hund Blickkontakt hält.
Leine wird gelockert, wenn Dein Hund locker läuft.
Nach einem Halt, erfolgt ein Freigabesignal, Hund kann machen was er möchte
Hier verstärkst Du gezielt gewünschtes Verhalten durch etwas, das der Hund in diesem Moment unbedingt möchte – Zugang zu einem Bedürfnis, Umweltveränderung oder Kontrolle über eine Situation.
Die richtige Verstärkerwahl ist der Schlüssel zu effektivem Training.Indem Du die individuellen Vorlieben Deines Hundes beachtest, seine Bedürfnisse verstehst und primäre, sekundäre sowie funktionale Verstärker gezielt einsetzt, baust Du Motivation, Vertrauen und Kooperation nachhaltig auf.
Wichtige Kriterien für die Wirksamkeit von Verstärkern
Damit ein Verstärker wirklich effektiv ist und das gewünschte Verhalten zuverlässig stärkt, spielen drei Schlüsselkriterien eine entscheidende Rolle:
Kontingenz – klare Verknüpfung von Verhalten und Verstärker
Die Kontingenz beschreibt die direkte Beziehung zwischen dem Verhalten des Hundes und der darauf folgenden Belohnung (bzw. Verstärkung).
Ganz einfach gesagt:
👉 Der Verstärker muss immer unmittelbar nach dem gewünschten Verhalten erfolgen und ausschließlich dann.
Das bedeutet:
Der Verstärker darf nicht einfach so im Alltag verfügbar sein (Beispiel: Leckerli immer kostenlos, auch ohne gewünschtes Verhalten → verliert an Wert!).
Zeigt Dein Hund das Zielverhalten, bekommt er den Verstärker – jedes Mal zuverlässig und genau dafür.
Nur so erkennt Dein Hund die Verknüpfung: „Dieses Verhalten lohnt sich für mich!“
Zeitliche Kontiguität – Timing ist alles
Hier geht es darum, wie schnell der Verstärker auf das Verhalten folgt. Je unmittelbarer, desto stärker wirkt der Verstärker!
👉 Der Verstärker sollte sofort innerhalb von maximal 1 Sekunde nach dem gewünschten Verhalten erfolgen.
Warum? Das Gehirn Deines Hundes verknüpft nur dann das Verhalten mit der Konsequenz. Verzögerst Du die Belohnung, versteht Dein Hund nicht mehr, welches Verhalten gemeint war.
⚠️ Dazu sind wir Menschen mit einem Leckerli viel zu langsam ⚠️
✅ Deswegen nutzen wir die Brücke der sekundären Verstärker ✅
Herausforderung: Es ist schwierig, genau im richtigen Moment zu belohnen – hier kommen sekundäre Verstärker (z. B. Markerwort oder Clicker) ins Spiel. Sie helfen, die Zeit zu „überbrücken“, bis der primäre Verstärker gegeben werden kann, ohne die klare Verknüpfung zu verlieren.
Angemessenheit – Der Verstärker muss lohnenswert sein
Der Verstärker muss aus Sicht Deines Hundes den Aufwand wert sein.
💡Erinnerung: Unterschied zwischen Belohnung und Verstärkung💡
Das bedeutet:
Je anstrengender oder komplexer ein Verhalten ist, desto größer und wertvoller muss der Verstärker ausfallen.
Umgekehrt: Für einfache Aufgaben genügt oft ein kleinerer Verstärker.
Wichtig: Die Einschätzung darüber, was "groß genug" ist, trifft immer Dein Hund – nicht Du!
Doch Achtung: Zu große Verstärker können schnell zur Sättigung führen. Ist der Hund satt oder müde (z. B. nach zu viel Futter oder endlosem Ballspiel), verliert der Verstärker an Wirkung – das Verhalten wird nicht mehr zuverlässig gezeigt. Dann immer Training beenden: positiv - mit streicheln und loben.
Hierzu mein persönliches Lieblingsbeispiel, das wunderbar erklärt, was wir mit der Angemessenheit der "Belohnung" und ihrer Wirkung aus Sicht des Empfängers meinen:

Stell Dir mal vor: Wir beide stehen an einem herrlich grauen, verregneten, nasskalten Novembermorgen auf einer großen, matschigen Wiese. Der Nieselregen fällt, es sind vielleicht 3 Grad, eine unangenehme Nordost-Brise pfeift Dir durchs Gesicht – kurz gesagt: richtig gusselig, dir ist kalt.
Jetzt sag ich zu Dir: „Setz Dich mal für 10 Sekunden mit Deinem Arsch mitten auf die nasse Wiese, ich geb Dir dafür 5 Euro!“
Na, wie entscheidest Du Dich? 😂
Vermutlich guckst Du mich an wie’n Auto.
Aber weil auch ich was von Verstärkern verstehe, schieb ich direkt nach:
„Okay, machen wir 500 Euro!“ Langsam überlegst Du vielleicht… aber so richtig motiviert? Wahrscheinlich immer noch nicht.

Jetzt kommt mein finaler Move:
„Pass auf – 10 Sekunden Hintern auf die Wiese, genau jetzt, und Du und Deine Familie fliegen direkt im Anschluss mit komplett bezahltem Sonderurlaub eine Woche auf die Malediven: 30 Grad, Sonne, Sandstrand, türkisblaues Wasser. Deal?“
Na, wie entscheidest Du Dich jetzt? 😏
Und jetzt kommt der Clou: Du bist zurück, braungebrannt, tiefenentspannt – und wir treffen uns wieder, diesmal im Dezember, das Wetter ist noch fieser. Ich mach Dir das gleiche Angebot nochmal:
Arsch auf die Wiese, ab auf die Malediven. Mal ehrlich – wirst Du lange überlegen?
Was zeigt uns das?
👉 Alles hat seinen Preis. Die Höhe und Angemessenheit des Verstärkers entscheidet, ob Du (oder Dein Hund) bereit bist, das gewünschte Verhalten zu zeigen.
Und genau das ist der Punkt im Hundetraining:
Der Verstärker muss für den Hund aus seiner Sicht (!) lohnenswert genug sein – und dabei darfst Du die Umstände nicht vergessen.
Sättigung & Deprivation: Zwei weitere Einflussfaktoren
Sättigung: Wenn der Hund genug (oder zu viel) von einem Verstärker hatte, verliert dieser an Attraktivität. Beispiel: Der Hund hat beim Training so viele Leckerlis bekommen, dass er keinen Appetit mehr hat → der Verstärker verliert seine Wirkung.
Deprivation: Hier ist das Gegenteil der Fall: Ein Bedürfnis wurde länger nicht erfüllt, der Hund hat „Entzug“. Dadurch steigt die Motivation extrem, das Verhalten zu zeigen, um den begehrten Verstärker zu erhalten. Beispiel: Besonders begehrtes Spielzeug, das nur im Training auftaucht – der Hund wird alles geben, um es zu bekommen oder die Leberwurst, die für den Superschlachtruf verwendet wird.
Die beste Wirkung erzielst Du, wenn Du bedürfnisorientiert und dosiert arbeitest: Der Verstärker sollte so klein wie möglich und so groß wie nötig sein, damit Dein Hund motiviert bleibt und langfristig begeistert mitarbeitet.
Wie sich schon in unserem letzten Artikel ein kleines bisschen Magie versteckt hat, versteckt sich auch im heutigen Thema wieder ein kleines bisschen Zauberei – genauer gesagt, die Magie der sekundären Verstärker.
Doch so magisch die Wirkung auch sein mag, der Aufbau dieser Verstärker hat nichts mit Zauberei zu tun. Im Gegenteil: Er folgt einer klaren, wissenschaftlich fundierten Anleitung. Diese ist nüchtern, strukturiert und verlangt vor allem eines: Deine volle Aufmerksamkeit, Selbstwahrnehmung und Konzentration. Es braucht Bereitschaft, Disziplin und ein gutes Timing – aber die Wirkung ist absolut magisch!
Im vorherigen Artikel zur positiven Verstärkung hast Du bereits den ersten Schritt gemacht: Du hast Dein Mindset verändert, hast begonnen, den Fokus auf das Positive zu legen und Deinem Hund (und Dir selbst!) konstruktives, motivierendes Feedback zu geben.
Heute gehen wir noch einen Schritt weiter:
Wir zeigen Dir, wie Du mit den sekundären Verstärkern echte Hund-Mensch-Magie erschaffst.
Denn genau das ist der Kern der „richtigen Belohnung“.
Was macht den Unterschied? Teams, die mit sekundären Verstärkern arbeiten, unterscheiden sich deutlich von "Laien-Teams". Warum? Weil Du als Mensch mit sekundären Verstärkern die Möglichkeit bekommst, in exakt der richtigen Sekunde – punktgenau – das Verhalten Deines Hundes zu bestätigen. Und Timing ist alles!
Lass uns das kurz zusammenfassen:
Step One: Du fokussierst Dich auf das Verhalten, das Du Dir wünschst.
Step Two: Sobald Du dieses Verhalten siehst, markierst Du den exakten Moment – Dein Hund weiß sofort, was Du von ihm willst.
Das ist die wahre Magie: Positive Verstärkung + sekundäre Verstärker = wird Dein persönlicher Hundezauber!
Du wirst quasi zum Hunde-Gandalf 😉 – und ich verspreche Dir:
Andere Hundehalter:innen werden Dich darauf ansprechen. Sie werden staunen, wie klar und leicht die Kommunikation zwischen Dir und Deinem Hund plötzlich wirkt.
Mit diesem Werkzeug hast Du ein Feedbacksystem an der Hand, mit dem Du und Deine Fellnase zum absoluten Dreamteam zusammenwachst. ❤️
Nun lass endlich anfangen das Geheimnis zu lüften:
Wie baue ich sekundäre Verstärker auf?
In diesem Abschnitt konzentrieren wir uns darauf, einen sekundären Verstärker aufzubauen, die Belohungsankündigung – und zwar konkret ein Markerwort, auch bekannt als Markersignal. Im Anschluss koppeln wir dieses Markerwort mit einem primären Verstärker, in unserem Beispiel klassisch: Futter.
Warum genau Markerwort + Futter? Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe:
Futter ist im Familienhundetraining der einfachste und effektivste Verstärker. Es ist einfach, Futter immer dabei zu haben, leicht einsetzbar und bei den meisten Hunden hoch motivierend.
Wir wollen die Komplexität gering halten. Funktionale Verstärker wie Spielzeug (z.B. Zerrspiele oder Bälle) sind zwar ebenfalls wertvolle Werkzeuge, aber sie müssen erst separat aufgebaut werden, weil sie funktionale Verstärker sind. Auch das Abgeben oder Tauschen des Spielzeugs will gelernt sein – das sprengt an dieser Stelle den Rahmen unseres Artikels. Wenn Du hier tiefer einsteigen möchtest, komm gern ins Einzeltraining, da nehmen wir uns dafür die nötige Zeit.
Notiz: Wenn Du lieber mit einem Clicker arbeiten möchtest, kein Problem – der Aufbau ist exakt derselbe. Du ersetzt lediglich das Markerwort durch den Klick des Clickers. Der Mechanismus dahinter bleibt gleich!
Aufbau: Markerwort + Futter
Hier kommt die Schritt-für-Schritt-Anleitung:
Wähle ein neutrales Markerwort.Klassische Beispiele sind: „Yes!“, „Top!“, „Click!“ oder was auch immer Dir leicht von den Lippen geht. Wichtig: Es sollte ein kurzes, klar verständliches Wort sein, das Du nicht im Alltag benutzt.
Konditioniere das Markerwort. Das bedeutet: Du verknüpfst das Markerwort mit dem primären Verstärker (Futter) so, dass der Hund lernt – Markerwort = Futter kommt. Und das geht so:
Schau deinen Hund an und sage Dein Markerwort. Unmittelbar (!) danach - sofort gibst Du dem Hund ein besonders attraktives Futterstück.
Wiederhole das Ganze ca. 10-15 Mal in kurzen Intervallen.
Wiederhole das Ganze früh und abends
Wiederhole das Ganze für 2 - 5 Tage
Wiederhole das Ganze in verschiedenen Umgebungen
Teste die Verknüpfung. Sage Dein Markerwort – wenn Dein Hund erwartungsvoll schaut, Ohren spitzt oder schon freudig reagiert, hast Du die Verknüpfung hergestellt. Glückwunsch! 🎉
Setze es im Training ein. Jetzt nutzt Du das Markerwort, um exakt den Moment zu markieren, in dem Dein Hund ein gewünschtes Verhalten zeigt. Auf das Markerwort folgt dann immer der Verstärker (Futter). Das ist ganz wichtig, damit du die Power aufrechterhält, sage dein Markerwort niemals ohne die Konsequenz Futter.
Das Geniale daran: Das Markerwort ist wie ein Fotoapparat. Es „fotografiert“ punktgenau den Moment, in dem Dein Hund das richtige Verhalten zeigt – und sagt ihm: „Das war's! - Genau DAS war richtig!“
Damit bist Du schneller und klarer als jede andere Kommunikationsform – und Dein Hund versteht glasklar, wofür er gerade belohnt wird.
5 Beispiele für den Einsatz des Markerwortes:
Hund setzt sich auf Signal “Sitz” hin → Markerwort „Top!“ → Belohnung: Futterstück
Hund schaut Dich von selbst an (Augenkontakt) → Markerwort „Yes!“ → Belohnung: Jackpot-Leckerli
Hund bleibt ruhig, obwohl ein anderer Hund vorbeiläuft → Markerwort „Fein!“ → Belohnung: Lieblingskeks
Hund läuft beim Rückruf direkt und schnell zu Dir → Markerwort „Click!“ → Belohnung: Spielzeug + Futter
Hund legt sich auf seine Decke (gewünschtes Verhalten) → Markerwort „Prima!“ → Belohnung: Futter + Streicheleinheit
Nun seid Ihr fit um das perfekte Team zu werden – Ihr habt verstanden, wie sekundäre Verstärker funktionieren und könnt sie punktgenau einsetzen! Ein kurzer, aber wichtiger Hinweis zum Schluss, um Euch vor einem häufigen Stolperstein zu bewahren:
⚠️ Unbewusste negative Verstärkungen passieren oft im Alltag und fördern genau das Verhalten, das wir eigentlich vermeiden möchten. Hier ein paar typische Beispiele:
Der Hund bettelt am Tisch → Halter:in gibt genervt ein Stück vom Essen ab → das Betteln wird verstärkt.
Der Hund zieht an der Leine → dem Ziehen wird nachgegeben, ihr geht in die Richtung des Hundes → das Ziehen bringt Erfolg.
Der Hund springt am Besuch hoch → Besuch streichelt den Hund, um ihn „zu beruhigen“ → das Anspringen wird verstärkt.
Der Hund bellt im Garten → Halter:in ruft ihn hektisch rein, um Ruhe zu haben → der Hund lernt: Bellen = Aufmerksamkeit & Tür geht auf.
Jede positive Lernerfahrung – ob bewusst oder unbewusst – hat das Potenzial, Verhalten zu verstärken.
Jede negative Verstärkung birgt das Risiko, unerwünschtes Verhalten zu verfestigen oder sogar zu steigern – besonders dann, wenn sie unbewusst geschieht.
Sei Dir also stets klar darüber, welches Verhalten Du wirklich fördern möchtest.
Damit entlassen wir Euch jetzt voller Vertrauen ins Training und wünschen Euch von Herzen viel Erfolg auf Eurer Reise zum absoluten Dreamteam! 🌟
Vergesst nicht: Die Magie liegt in den kleinen, konsequent gesetzten Schritten und in der Klarheit, mit der Ihr Eurem Hund zeigt, welches Verhalten sich wirklich lohnt.
Bleibt geduldig, fokussiert und habt vor allem Spaß daran, gemeinsam zu wachsen – denn genau das macht Euch zu einem unschlagbaren Dreamteam! 🐾❤️
Ausblick: Was Dich im nächsten Artikel erwartet
Im nächsten Artikel öffnen wir das gesamte Kapitel unserer bewährten W.O.L.F. + Erfolgsformel für die Mensch-Hund-Harmonie. Wir nehmen Dich mit hinter die Kulissen unseres Ansatzes und tauchen tief in die Bedeutung jedes einzelnen Buchstabens ein. Du erfährst, wie W - Wissenschaftlich systemisches Training, O - optimale Kommunikation, L - Lebensqualität durch artgerechte Ernährung, F - Förderung mentaler Stärke und das geheimnisvolle + - Empathie und Vertrauen ineinandergreifen – und wie genau diese Bausteine Dir helfen, mit Deiner Fellnase in eine noch stärkere, harmonischere Verbindung zu kommen.
Was denkst Du über die „richtige Belohnung“ und den Einsatz von sekundären Verstärkern?
Hast Du vielleicht schon eigene Erfahrungen damit gesammelt?
Setzt Du bewusst verschiedene Ansätze ein – und welche Erfolge oder Herausforderungen hast Du dabei erlebt?
Teile Deine Gedanken, Erlebnisse und Aha-Momente gern mit uns unten in den Kommentaren – wir sind gespannt auf Deinen Input und freuen uns auf den Austausch mit Dir! 💬✨
Jetzt heißt es: Ab ins Training und viel Freude beim gemeinsamen Wachsen mit Deiner Fellnase!
Bis zum nächsten Mal!
Herzliche Grüße
Dein Johannes & das gesamte Team von WolfSpirit – Hundeschule 🌟🐾
🔔 Du willst keine Artikel mehr verpassen? Dann scroll schnell ganz nach unten auf dieser Seite und trag Dich in unseren Newsletter ein – so bleibst Du immer up to date und kannst mit Deinem Hund optimal von unserer W.O.L.F. + Erfolgsformel für die Mensch-Hund-Harmonie profitieren. 🐕
Anmerkung vom Autor: Wenn Dir dieser Artikel gefallen hat, lass uns doch ein Herz da oder schreib mir direkt in die Kommentare. Auch persönliches Feedback ist herzlich willkommen – ich schreibe schließlich für Euch da draußen und ohne Eure Rückmeldungen weiß ich nicht, ob ich auf dem richtigen Weg bin.
Also, hau gern in die Tasten – ich freu mich drauf! 😊❤️

Comments